100 Jahre Grüne Weide

Aufgeschrieben von Gartenfreundin Dam

Berlin 1905, Kartenausschnitt aus Umgebung von Berlin aus Meyers Konversations-Lexikon, 6. Auflage“ (Public domain, via Wikimedia Commons)

In diesem Jahr 2006 begeht die Kleingartenanlage „Grüne Weide“ ihr 100 jähriges Bestehen. Man muss sich vorstellen, dass Ende des 18. Jahrhunderts die ganze Gegend südlich von Berlin mit Heide, hauptsächlich Kiefernheide, untermischt mit Bruchwald bestanden war; diese hatte den Namen Cöllnische Heide und war 3000 Morgen groß. Der Name kommt daher, dass die Heide vor der Vereinigung der beiden Schwesternstädte Berlin und Cölln der Stadt Cölln gehörte (eine heutige Bezeichnung, die daran erinnert, ist z. B. der S-Bahnhof Köllnische Heide). Von 1823 an bis zum Jahre 1840 wurde die Cöllnische Heide bis auf einen kleinen Rest (heute Schlesischer Busch und alter Treptower Park von der Stadt Berlin aus finanziellen Gründen abgeholzt. Die Flächen wurden von der Stadt verpachtet bzw. später verkauft. Die so entstandenen Flächen wurden z. T. landwirtschaftlich und als Weideflächen genutzt. Es entstand ein Gut (Marienthal genannt), das eine Gemüsegärtnerei betrieb. Zur Landwirtschaft des Gutes gehörte ein Jagdrevier, das sich vom Heidekampgraben bis zur Königsheide und zum heutigen städtischen Friedhof an der Kiefholzstraße/Südostallee und andererseits bis zum Köpenicker Weg (heute Köpenicker Landstraße) und Eichbuschweg (heute Eichbuschallee) hinzog; in ihm wurden Rehe, Hasen, Rebhühner, Wildenten und Fasanen geschossen.

Bereits vor der und um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurden in Treptow, das damals noch vor den Toren Berlins lag, die ersten Laubenkolonien gegründet. Aus dieser Zeit existieren noch heute davon die in der Nähe unserer Anlage liegenden Vereine „Zur Linde“ (vormals „Little Po“, 1887), „Parkstraße“ (1896) und „Rathaus Treptow“ (1896). Viele organisierte Pflanzvereine und Kleingartenanlagen kamen im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts insbesondere auf dem Gebiet der ehemaligen Cöllnischen Heide hinzu, darunter auch die KGA „Grüne Weide“.

Das genaue Gründungsjahr des Vereins liegt etwas im Dunklen. Es gibt darüber keine Zeitzeugen und Chroniken. Wir gehen von einem Erschließungs- bzw. Gründungsjahr 1906 aus (nach neuesten Erkenntnissen soll es wohl erst das Jahr 1907 sein), wo die Vorfahren der Gartenfreunde Bahr, Pommeranz und Steinki mutig zu Spaten, Hacke und Harke gegriffen haben, um in der Nachbarschaft der Kleingartenanlagen “Vogelsang“ und „Rixdorf“ auf einer mit Sträuchern und Weiden bewachsenen Brachlandfläche, die auch als Müllkippe diente, die ersten Beete anzulegen. In unmittelbarer Nähe lag der Heidekampgraben, im Volksmund auch Kuhgraben genannt.

Der Name Heidekampgraben (Campus = Feld) weist darauf hin, dass dieses Gewässer sich einst durch Feld und Heide zog. Seine Quelle liegt auf den Flächen der ehem. Späthschen Baumschule. Er durchfließt die so genannte Hinterheide und den Treptower Park (Karpfenteich) und mündet bei der Gaststätte Zenner in die Spree. Der Name Kiefholzstraße (ehem. Kiefholzweg) leitet sich ab von „durch Kiefernholz führend“.

Die Fläche der KGA „Grüne Weide“ erstreckte sich ursprünglich als relativ schmaler Zug entlang der Kiefholzstraße bis hin zum Heidekampgraben, begrenzt westlich von der jetzigen Kleingartenanlage Vogelsang I und südlich von einer der Reichsbahn gehörenden Brachfläche entlang des späteren Südbahnringes. Die Anlage wurde mit ca. 50 Parzellen gegründet. Entlang der Kiefholzstraße gab es eine Gärtnerei und einen Tante-Emma-Laden, wo die Kleingärtner von Ata bis Zucker alles kaufen konnten.

Mancher Besucher unserer Anlage sucht ausgehend vom Vereinsnamen vergeblich nach einer Weide auf dem Gelände und steht dann vor dem Vereinshaus vor einem alten großen Kastanienbaum, der von den Pioniertaten der Kolonisten zeugt. Der Name des Vereins geht also nicht auf eine Weide als Erkennungszeichen, sondern vermutlich auf ein Bruchgebiet mit Rinnsalen und feuchten, mit Weiden bewachsenen Senken zurück, was man auch heute noch unschwer am leicht welligen Hauptweg erkennen kann.

Die beiden Weltkriege sind auch an den Pächtern der „Grünen Weide“ nicht spurlos vorüber gegangen, aber immerhin konnten sie auf ihren paar Quadratmetern Gartenfläche Kartoffeln und Gemüse ziehen und Kleintiere halten; Schafe grasten auf dem Vereinsplatz. Während der Kriegszeit dienten viele Lauben als Zufluchtsort vor Bombenangriffen, trotz Kälte und ohne Strom. In der Nachkriegszeit waren die Lauben, die oft notdürftig erweitert wurden, begehrte Dauerwohnsitze bis zur Grenzziehung 1961. Einmal wäre unsere Anlage fast einer anderen Nutzung zum Opfer gefallen, gab es doch Ende der 50 Jahre Regionalpläne, auf den Kleingartenflächen an der Kiefholzstraße industrielle Bauten zu errichten.

Durch die Errichtung der Grenzanlagen 1961 mussten sechs Pächter ihre Parzellen räumen; so weit möglich bekamen sie Ersatz. Durch Magistratsbeschluss wurde 1976 eine Aktion zur Erschließung von weiteren Gärten auf dem angrenzenden Gelände bis zum Bahndamm gestartet und unter Mühen urbar gemacht werden; es entstanden 18 Gärten, die z. T. auch heute noch von den an den Erschließungsarbeiten beteiligten „Kolonisten“ gepflegt und gehegt werden.

Die Jahre von 1961 bis 1989 waren für viele Pächter nicht einfach, war das Gartenleben doch sehr von staatlichen Reglements infolge der Einstufung als Grenzgebiet beeinträchtigt. So durften Pächter nur mit Passierschein die Anlage betreten und Besuche waren fast unmöglich. So mussten z. B. Leitern angeschlossen sein, damit diese nicht zum Übersteigen der Mauern benutzt werden konnten.

Das älteste Mitglied unseres Vereins, die Gartenfreundin G. Steinki, die in diesem Jahr 80 Jahre alt geworden ist, wurde schon 1936 als zehnjähriges Mädchen auf der Parzelle ihrer Tante gesichtet; später fand auch ihr Polterabend auf der Anlage statt, und bis heute bewirtschaftet sie noch ihren Garten gemeinsam mit der Familie ihrer Tochter. Die Kleingärtnertradition wird also in der Familie fortgesetzt.

Unsere „Grüne Weide“ würden die Gründer heute nicht wieder erkennen. Sie hat sich besonders in den letzen Jahren zu einem Schmuckstück entwickelt . Zwar haben aus Alters- oder anderen Gründen zahlreiche Pächter aufgegeben, aber wir können mit Stolz berichten, dass alle Parzellen wieder einen neuen Pächter gefunden haben. Auch sind unsere Pächter multikultureller geworden, dadurch ist das Vereinsleben belebt worden.

Der Hauptweg wurde unter tatkräftigem Einsatz der Gartenfreunde und mit finanzieller Unterstützung des Bezirksvorstandes mit Gehwegplatten und Rasenkantensteinen ausgestattet und begrünt. Bei dieser Aktion wurden gleichzeitig die Wasserleitungen mit Anschluss an die einzelnen Parzellen neu verlegt. Die meisten Parzellen haben jetzt auch abflusslose Sammelbehälter. Auch in unserem Vereinshaus hat sich Vieles getan, die Sanitäranlagen wurden rekonstruiert und erweitert und die Außenanlagen neu gestaltet. Am Eingang des Vereinshausgeländes entstand durch Initiativen und Ideenreichtum unserer Gartenfreunde ein „Insektenhaus“ zur Freude auch vieler Besucher unserer Anlage. Sogar mehrere Schulklassen haben im letzten Jahr das Insektenhotel mit Interesse begutachtet.

Am 19. August begehen wir mit einigem Stolz unser 100jähriges Bestehen und laden dazu interessierte Gäste ein unsere schön gepflegte Kleingartenanlage, angrenzend am renaturierten Grünzuges entlang des Heidekampgrabens zu besichtigen.